Sitzender Bodhisattva

Wie die Kunst zur Buddha-Figur kam

In Gebieten ausserhalb Asiens, so in Europa, Australien oder den USA, stehen heute an vielen Orten buddhistische Figuren. In Restaurants, Gartencentern und Lifestyle-Läden sind sie zuhauf zu sehen, in Letzteren auch zu kaufen. 

Nicht selten ist nur der Kopf eines Buddhas dargestellt. So können beispielsweise Taschentuchspender oder Pflanzentöpfe in der Form eines Buddha-Kopfes erworben werden.

Neben diesen Orten, an denen man Buddha-Figuren «begegnen» kann, ist buddhistische Kunst in Museen und Galerien anzutreffen, doch auch im privaten Kunsthandel stellen sie beliebte Gegenstände dar. 

Wie kam es dazu, dass sich buddhistische Figuren ausserhalb Asiens einer derartigen Beliebtheit erfreuen? Wie ist es zu erklären, dass Buddha-Figuren heute wie selbstverständlich im Ladenregal anzutreffen sind?

In diese und andere Fragen kannst du in dieser Story eintauchen!

Rechteckige Münze

Die Griechen und der Buddha

In der Mitte des 19. Jahrhunderts rückte Zentralasien in den Fokus der europäischen Grossmächte. Russland, England und Frankreich versuchten ihren Einfluss dort auszubauen.

Sie schickten Diplomaten, Spione und mit ihnen Wissenschaftler und Archäologen in die Grenzregion zwischen Indien, China und Russland.

Die Forscher stiessen auf faszinierende Funde: In der Region von Gandhara, das an der Grenze zwischen dem heutigen Afghanistan und Pakistan liegt, fanden sie Münzen mit griechischen Inschriften.

Stehender Buddha Shakyamuni

Doch nicht nur Münzen wurden gefunden. Ende des 19. Jahrhunderts konnten in der Region Gandhara auch grosse Mengen an Steinskulpturen und bildlichen Reliefs buddhistischer Motive ausgegraben werden.

Das Beeindruckende an diesen Figuren ist, dass sie einen unverkennbaren griechisch-römischen Einfluss aufweisen. Der detaillierte Faltenwurf der Gewänder und die fein gearbeiteten Gesichtsausdrücke sind solche Merkmale.

Dies bedeutet nicht nur, dass Gandhara ein Zentrum buddhistischer Kultur und Kunst gewesen sein muss. Es bedeutet auch, dass sich das Einflussgebiet des griechischen Heerführers Alexander des Grossen (356–323 v. Chr.) bis in diese Breiten erstreckt hat.

Statue des Asklepios

Idealschöne Antike

Die buddhistischen Figuren aus Gandhara wurden in der Folge auf dem internationalen Kunstmarkt zum Verkauf angeboten.

Die ideale Schönheit der griechisch-römischen Kunstwerke wurde von den KunstkritikerInnen und -händlerInnen im 19. Jahrhundert, in der kunsthistorischen Epoche des Klassizismus, hoch geschätzt.

Weil die Skulpturen aus Gandhara auf die Ideale dieser Epoche Bezug zu nehmen schienen, waren sie auf dem Kunstmarkt sehr gefragt.

Buddha-Kopf

Viele der Objekte aus Gandhara konnten die ArchäologInnen nur als Fragmente ausgraben. Andere Stücke wurden aus ihrer ursprünglichen Position gewaltsam entfernt, beispielsweise von Mauern oder anderen Gebäudeteilen abgeschlagen. Oft finden sich auf der Hinterseite dreidimensionaler Objekte deshalb Schlagspuren eines Meissels.

Das Besondere an den Figuren aus Gandhara ist aus heutiger Sicht, dass sie die frühesten Darstellungen des Buddhas Shakyamuni in menschlicher Form sind. Sie sind auf das 1. bis 6. Jahrhundert n. Chr. zu datieren.

Avalokiteshvara, der Bodhisattva des Mitgefühls

«Buddhistische Kunst» wird zum Begriff

In vielen weiteren Gegenden Asiens wurden der Buddha und buddhistische Motive in Figuren und Malereien dargestellt.

Die Statuen und Malereien aus Ländern wie Indien, Nepal, China, Kambodscha oder Tibet, die ab dem 20. Jahrhundert als buddhistische Kunst gehandelt wurden, sind ehemals für religiöse Zwecke gefertigt worden.

Kopf eines Buddhas

Dieser grosse Buddha-Kopf wurde vor 1920 in Paris zum Kauf angeboten. Heute befindet er sich im Museum Rietberg in Zürich.

Lange vermuteten ForscherInnen, dass dieser Buddha-Kopf aus den Höhlentempeln von Longmen stamme, die in der Nähe der früheren chinesischen Hauptstadt liegen.

Die riesige Anlage von über 2'300 in den Fels geschlagenen Grotten mit etwa 100'000 Figuren aus dem 5. bis 7. Jahrhundert wurde ausgiebig erforscht. Allerdings findet sich dort keine Grotte, in die der Buddha-Kopf passen würde.

Virtuelle Rekonstruktion der Buddha-Figur, Südliche Nische in der Südhöhle der Höhlentempel vom Nördlichen Xiangtangshan, China, Provinz Hebei

Seit 2008 ist mehr über die Herkunft dieses Buddha-Kopfes bekannt: Ein ForscherInnen-Team der Universitäten von Chicago und Beijing konnte ihn dem wenig bekannten und sehr viel kleineren Grottentempel von Xiangtangshan – dem «Berg der tönenden Hallen» – zuordnen.

In diesen Grotten aus dem 6. Jahrhundert wurden wohl um 1910 systematisch Köpfe, Hände und freistehende Figuren abgeschlagen und auf den Kunstmarkt gebracht.

Die Zuordnung von solchen Fragmenten erlaubt nicht nur eine virtuelle Rekonstruktion des ursprünglichen Tempelraumes, sie erweitert auch unser Wissen über den Buddha-Kopf und seine Geschichte.

Buddha-Kopf als Pflanzentopf

Buddha-Köpfe im Einkaufszentrum

Buddha-Köpfe kann man heute in diversen Abteilungen von Einkaufszentren erwerben.

Ist dieser Umgang mit der ursprünglich im religiösen Rahmen verwendeten Figur respektlos? Darauf gibt es keine pauschale Antwort. Diese Frage müssen Buddhistinnen und Buddhisten für sich persönlich beantworten.

Auffällig ist, dass oft nur Köpfe abgebildet werden. Dafür gibt es jedoch eine Erklärung …

Alexander der Grosse

Büsten als Porträtkunst

In der europäischen Kunst des 19. Jahrhunderts waren Büstendarstellungen eine weitverbreitete Art der Porträtkunst. Damit ist die Abbildung eines Kopfes mit Brust- oder Schulteransatz gemeint. Details der Gesichter und des Ausdrucks rückten so in den Fokus der Betrachtung.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts tauchten zahlreiche abgeschlagene Buddha-Köpfe auf dem Kunstmarkt auf. Sie fügten sich als die «Büsten Asiens» mit «besonderer spiritueller Ausdruckskraft», wie dies die damaligen SammlerInnen bemerkten, problemlos in den Kunstgeschmack der Zeit ein.

Buddha Shakyamuni

Man bewunderte die Ausstrahlung und künstlerische Qualität der buddhistischen Köpfe und Skulpturenfragmente.

Dass es sich um Bruchstücke von ursprünglich religiös verehrten Figuren handelte, wurde erst später problematisiert.

Die Beliebtheit der Buddha-Figuren und -Köpfe hat seither Fortbestand, sie gelten als Ausdruck von Gelassenheit und Ruhe. Viele Menschen stellen sie deswegen gern in ihren privaten Wohnräumen auf.

Ein Mönch fragte Dongshan: Wenn Hitze und Kälte kommen, wie kann man ihnen entgehen?

Dongshan erwiderte: Wie wäre es damit, einen Ort aufzusuchen, wo es weder Hitze noch Kälte gibt?

Wo aber findet sich so ein Ort? Fragte der Mönch.

Dort, wo du in der Kälte erfrierst und in der Hitze vor Hitze umkommst, sagte der Meister.

Wie die Kunst zur Buddha-Figur kam